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weekly#60 1001 Emotionen durch 4 Minuten in die Augen schauen

Epilog zum weekly #57 "Von Elias und dem 11:11 Phänomen"
Letzte Woche habe ich eine überraschende Mail von Astrid Just, der Mutter von Elias erhalten. Sie sagte mir, dass sie sehr dankbar für die große Anteilnahme ist. Die Spenden für das Spielgerät kamen sehr zahlreich und sie ist tief gerührt darüber. Gestolpert ist sie über den Betrag von 11,11€ und wollte wissen, wer diese Summe gespendet hat. In meinem weekly #57 hat sie die Begründung zu dieser Zahl gefunden. Ich möchte ihre eigenen Worte zitieren, die mir sehr nahe gingen: "Es ist eine Zeit der Schwere und in dieser Zeit greifen wir auch nach spirituelle Zeichen, die uns helfen und Trost geben, den Verlust unseres lieben Sohnes und Bruders zu verarbeiten. Mir gefallen Ihre Sätze und Antworten zu dieser Zahl und darum möchte ich mich herzlich bedanken. ... Ronja zog es ständig zum Spielplatz, weil sie dort viel Zeit mit ihrem Vater verbrachte, darum weiß ich, die Entscheidung für das Spielgerät war richtig."  

Radikal, kontrovers und umstritten: Marina Abramovic (* 1946 in Belgrad) ist eine der meistdiskutierten Künstlerinnen unserer Zeit. Sie ist berühmt für ihre Performances. Sie sucht die Grenzerfahrung und setzt dabei mitunter ihr Leben aufs Spiel. Die Überwindung von Schmerz, Angst und Scham sind die Kernthemen. Sie testet aus, wie weit sie physisch und psychisch gehen kann, was ihr Körper und das Publikum aushalten. Da muss man sich drauf einstellen, aber es lohnt sich die Ausstellung in Bonn zu besuchen.


Marina Abramovic. The Cleaner

Unter dem Titel "Marina Abramovic. The Cleaner" zeigt die Bundeskunsthalle Bonn aktuell bis zum 12. August 2018 eine große Retrospektive, die auf 50 Jahre Abramovic-Aktionen zurückblickt. Einige der Performances werden in Bonn zu bestimmten Zeiten von Aktionskünstlern wiederaufgeführt. Ich war letzte Woche dort und habe mich öfters mehr als gewundert, aber trotzdem ist es unvergleichlich intensiv und emotional. Sie sagt von sich: "Wenn ich etwas vollbringen will, gebe ich alles. Ich bin vorbereitet, ich bleibe dran, und es ist egal, wie viele Stunden es dauert oder wie unbequem es ist oder wie erschöpft ich bin."

Re-Performance Imponderabilia

Am Eingang des Museums der Galleria d'Arte Moderna Bologna standen Abramovic und ihr Partner Ulay sich 1977 zur Eröffnung nackt einander gegenüber, dergestalt, dass die Besucher sich einzeln durch die Lücke zwischen beiden hindurchdrängen mussten. Jede Person musste sich entscheiden, wen sie beim Durchgehen anschauen würde. Viele schauten geradeaus, um dem direkten Blick zu entgehen, sie zwängten sich mit Körperberührung durch oder versuchten, möglichst wenig an die nackte Haut der beiden zu stoßen. Abramovic/Ulay blickten sich über 90 Minuten unbewegt an, wie Statuen, die einen Eingang flankieren. Sie bilden hier einen körperlichen Rahmen und konfrontieren die unfreiwillig Beteiligten, während diese durch den "Geburtskanal" gehen, mit der Erfahrung von Berührung, Entscheidung, auf welche Seite sie sich drehen und setzen alle einem ungewöhnlichen (schamhaften) Körpergefühl aus. Der Leerraum zwischen den beiden Akteuren stellt den eigentlichen Performance-Raum dar, in dem der Zuschauer zum aktiven Performer wird. Diese Performance wird regelmäßig in der Bundeskunsthalle von wechselnden Darstellern wiederholt.

Foto: Ulay/Marina Abramović, Foto: Giovanna dal Magro, Courtesy of the Marina Abramović Archives, VG Bild-Kunst, Bonn 2018

The Lovers

Der Austausch von Energie wurde zu einem ihrer zentralen Interessen und ein Leitmotiv ihrer 12-jährigen Kunst- und Lebenspartnerschaft mit dem deutschen Künstler Ulay (Frank Uwe Laysiepen). Bei ihren gemeinsamen Auftritten rannten sie mit voller Wucht aufeinander zu und ließen ihre nackten Körper aneinanderklatschen (1976). Sie ohrfeigten sich, inhalierten den Atem des anderen oder schrien sich an, bis die Stimmen versagten (1978). Ihre letzte gemeinsame Aktion führte sie 1988 nach Asien. Für "The Lovers" liefen sie die komplette Chinesische Mauer entlang. Jeder startete an einem Ende und legte 2500 Kilometer zurück. In der Mitte trafen sie sich und beendeten dann ihre private und künstlerische Beziehung.

The Artist is Present

In der jüngeren Vergangenheit machte sie mit Langzeit-Performances auf sich aufmerksam. Ganz besonders fand ich ihre Aktion "The Artist Is Present" im New Yorker MoMA 2010. Es war mit 800.000 Besuchern die erfolgreichste Performance aller Zeiten. Drei Monate lang saß sie jeden Tag insgesamt 736 Stunden lang bewegungslos auf einem Stuhl und wechselte stumme Blicke mit Ausstellungsbesuchern, die nacheinander auf dem leeren Stuhl ihr gegenüber Platz nahmen. Im Interview sagte sie: "Zwei Stunden zu sitzen ist nichts. Aber fünf oder sechs Stunden, ohne irgendeine Bewegung, ist irrsinnig schwierig. Wenn Sie an diesen Punkt gelangen, an dem es unerträglich wird, und sich sagen, ich werde weitermachen, bis ich ohnmächtig werde, dann gibt der Körper auf, und Sie werden keinen Schmerz mehr empfinden. Viele der 1500 Menschen, die ihr in die Augen schauten, reagierten sehr emotional auf die Begegnung mit Abramovic. Nicht wenige weinten, vielleicht weil sie einsam und unglücklich sind. Sie versuchen das im Alltag zu überdecken. Aber wenn andere sie anschauen, gehen sie nach innen und finden ihre Trauer.

Eines Tages nahm Ulay ihr gegenüber Platz, die beiden blickten sich an und Marina Abramovic liefen die Tränen über das Gesicht. Sie reichte ihrem einstigen Lebenspartner die Hände. Es war ein sehr emotionaler Moment.

Vier Minuten in die Augen schauen

Vor 20 Jahren entdeckte der Psychologe Arthur Aron, dass 4 Minuten, in denen man sich einfach nur in die Augen schaut, Menschen näher bringen können. Mit dieser Entdeckung beschloss Amnesty Poland, ein Experiment durchzuführen, bei dem Flüchtlinge und Europäer sich gegenübersaßen und sich in die Augen sahen. Natürlich ist es am wichtigsten, einander Zeit zu geben, um sich gegenseitig besser zu verstehen und kennen zu lernen. Die Teilnehmer waren gewöhnliche Menschen. Die Situationen wurden nicht inszeniert; sie wollten natürliche, spontane Reaktionen bekommen. Die Menschen, die sich gegenübersaßen, hatten sich vorher nicht gekannt und sahen sich während des Experiments zum ersten Mal. Das kannst du auch ... Vier Minuten einem Menschen gegenüber in die Augen schauen. Ohne Worte - einfach nur schauen. Das ist eine gute Übung, um mehr Mitgefühl zu entwickeln. 


An Artist’s life Manifesto by Marina Abramovic

Zum Abschluss noch das Marina Manifest. Ob das alles so ernst gemeint ist? Aber es ist trotzdem interessant zu lesen, wie sie tickt und wie sie es formuliert hat.

1. An artist’s conduct in his life:

An artist should not lie to himself or others

An artist should not compromise for themselves or in regards to the art market

An artist should not kill other human beings

An artist should not make himself into an idol

An artist should not make himself into an idol

An artist should not make himself into an idol

 

2. An artist’s relation to his love life:

An artist should avoid falling in love with another artist

An artist should avoid falling in love with another artist

An artist should avoid falling in love with another artist

 

3. An artist’s relation to the erotic:

An artist should develop an erotic point of view on the world

An artist should be erotic

An artist should be erotic

An artist should be erotic

 

4. An artist’s relation to suffering:

An artist should suffer

From the suffering comes the best work

Suffering brings transformation

Through the suffering an artist transcends their spirit

Through the suffering an artist transcends their spirit

Through the suffering an artist transcends their spirit

 

5. An artist’s relation to depression:

An artist should not be depressed 

Depression is a disease and should be cured

Depression is not productive for an artist

Depression is not productive for an artist

Depression is not productive for an artist

 

6. An artist’s relation to suicide:

Suicide is a crime against life

An artist should not commit suicide

An artist should not commit suicide

An artist should not commit suicide

 

7. An artist’s relation to inspiration:

An artist should look deep inside themselves for inspiration

The deeper they look inside themselves, the more universal they become

The artist is universe

The artist is universe

The artist is universe

 

8. An artist’s relation to self-control:

The artist should not have self-control about his life

The artist should have total self-control about his work - The artist should not have self-control about his life

The artist should have total self-control about his work

 

9. An artist’s relation with transparency:

The artist should give and receive at the same time

Transparency means receptive

Transparency means to give

Transparency means to receive

Transparency mean receptive

Transparency means to give

Transparency means to receive

Transparency mean receptive

Transparency means to give

Transparency means to receive

 

10. An artist’s relation to symbols:

An artist creates his own symbols

Symbols are an artist’s language

The language must then be translated

Sometimes it is difficult to find the key

Sometimes it is difficult to find the key

Sometimes it is difficult to find the key

 

11. An artist’s relation to silence:

An artist has to understand silence

An artist has to create a space for silence to enter his work

Silence is like an island in the middle of a turbulent ocean

Silence is like an island in the middle of a turbulent ocean

Silence is like an island in the middle of a turbulent ocean

 

12. An artist’s relation to solitude:

An artist must make time for the long periods of solitude

Solitude is extremely important

Away from home

Away from the studio

Away from the family

Away from friends

An artist should stay for long periods of time at waterfalls

An artist should stay for long periods of time at exploding volcanoes

An artist should stay for long periods of time looking at the fast running rivers

An artist should stay for long periods of time looking at the horizon where the ocean and sky meet

An artist should stay for long periods of time looking at the stars in the night sky

 

13. An artist’s conduct in relation to work:

An artist should avoid going to the studio every day

An artist should not treat his work schedule as a bank employee does

An artist should explore life and work only when an idea comes to him in a dream or during the day

as a vision that arises as a surprise

An artist should not repeat himself

An artist should not overproduce

An artist should avoid his own art pollution

An artist should avoid his own art pollution

An artist should avoid his own art pollution

 

14. An artist’s possessions:

Buddhist monks advise that it is best to have nine possessions in their life:

1 robe for the summer

1 robe for the winter

1 pair of shoes

1 begging bowl for food 1 mosquito net

1 umbrella

1 mat to sleep on

1 pair of glasses if needed

An artist should decide for himself the minimum personal possessions they should have - An artist should have more and more of less and less

An artist should have more and more of less and less

An artist should have more and more of less and less

 

15. A list of an artist’s friends:

An artist should have friends that lift their spirits

An artist should have friends that lift their spirits

An artist should have friends that lift their spirits

 

16. A list of an artist’s enemies:

Enemies are very important

The Dalai Lama has said that it is easy to have compassion with friends but much more difficult to

have compassion with enemies

An artist has to learn to forgive

An artist has to learn to forgive

An artist has to learn to forgive

 

17. Different death scenarios:

An artist has to be aware of his own mortality

For an artist, it is only important how he lives his life but also how he dies

An artist should die consciously without fear

An artist should die consciously without fear

An artist should die consciously without fear

 

18. Different funeral scenarios:

An artist should give instructions before the funeral so that everything is done the way he wants it

The funeral is the artist’s last art piece before leaving

The funeral is the artist’s last art piece before leaving

The funeral is the artist’s last art piece before leaving 


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